Human Factors: Warum wir uns engagieren
Lassen Sie uns von Anfang an beginnen... Human Factors oder auch menschliche Faktoren.
Darunter versteht man physische, psychische, kognitive und soziale Eigenschaften von Menschen, welche die Interaktion mit der Umgebung und mit sozialen, beziehungsweise technischen Systemen beeinflussen.
Human Factors sind zugleich Wissenschaftsfeld, als auch Anwendungsbereich. Einige der Faktoren sind dabei durch Training oder durch Lernintervention veränderbar – bei anderen ist eine Veränderung von systemischen Faktoren notwendig.
Und noch was ist wichtig zu wissen: bei den Human Factors geht es ebenso um die Interaktion von menschlichen Faktoren mit technischen Faktoren. Im speziellen also um sogenannte sozio-technische Systeme.
Zum Abschluss noch etwas, was oft verwirrend ist: Human Factors beziehen sich nicht nur auf das Verhalten. Durch die Interaktionen und Faktoren geht es hier um einen weit größeren Bereich, als man zuerst zu denken vermag. Insbesondere ist also auch die Organisation an sich von Bedeutung, wenn es darum geht ein sicheres System zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Dabei spricht man von Gesundheitseinrichtungen als Hochzuverlässigkeitsorganisation (High Reliability Organisation – abgekürzt HRO). Dazu zählen kritische Systeme, welche bei möglichen Fehlern schwere Auswirkungen verursachen können.

For whom could simulation training be more important than for medical personnel?
Jens-Christian Schwindt
Die Choreographie der Reanimation Technische und nicht-technische Fertigkeiten

Bestandteile und Vernetzung nicht-technischer Fertigkeiten (eigene Darstellung).
Human Factors sind nicht gleich nicht-technische Faktoren (NTS). Auch wenn man vielleicht in der einen oder anderen Situation schon die ausgetauschte Verwendung von beiden Begriffen gehört hat.
Zäumen wir das Pferd allerdings von hinten auf. Was sind denn nun technische Fertigkeiten? Ganz einfach: Fertigkeiten, wie beispielsweise Defibrillation, Atemwegsmanagement, Rhythmusbeurteilung, oder Beatmung. Genau das wird unter technischen Fertigkeiten verstanden.
Jetzt können wir uns mit etwas mehr Licht im Dunkeln bereits an die Definition von nicht-technischen Fertigkeiten wagen. Denn darunter versteht man kognitive und interpersonelle Fertigkeiten, die mitunter für die effektive Leistung eines Teams verantwortlich sind.
Zu allem Überdruss jetzt auch noch ein paar Zahlen. Im Gesundheitssektor wird der Anteil an medizinischen Fehlern, ausgelöst durch einen Zusammenbruch der nicht-technischen Fertigkeiten, auf rund 70-80% geschätzt. Wenn man jetzt an die jährlichen Todesfälle denkt ist das also eine ganze Menge. Und da gilt es auch noch die ganzen unerwünschten Ereignisse miteinzubeziehen, die keine Schäden nach sich ziehen, und trotzdem passiert sind. Anders formuliert, können wir bis zu 70-80% der medizinischen Fehler durch die bewusste Anwendung von nicht-technischen Fertigkeiten verhindern. Und das ist doch eine äußerst gute Nachricht.
Was ist jetzt noch detailliert in den nicht-technischen Fertigkeiten enthalten? Unter anderem Leadership, Followership und Teamwork, Entscheidungsfindung, Situationsbewusstsein und Aufgabenmanagement. Zutaten für die exzellente Choreographie einer Reanimation. Und für diejenigen unter uns, die es nicht so mit englischen Fachbegriffen haben: Leadership ist nicht gleichzusetzen Führung. Der deutschsprachige Begriff Führung umfasst weit mehr. Dazu zählen sowohl Leadership, als auch Management. Womit bedeutsam wird, dass vor allem für Führungskräfte auch die soziale Komponente bei der Leitung eines Teams besonders relevant ist. Aber das ist ja dann doch noch eine andere Geschichte…
Von Molekülen und Fertigkeiten

CRM Molekül nach Fall und Gab (eigene Darstellung)